„Liquid Archive“ / Johannes Förster / Import Projects

Man stelle sich einmal vor, sämtliche Fotografien aus der Jugendzeit, die Erinnerungsbilder an viele entscheidende Jahre eines Lebens, würden zerstört. Ein Wasserschaden würde die Fotografien zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verwischen, die Farben verlaufen lassen, die Gesichter verschwinden. Selbst die Negative der Bilder würden beschädigt, wellig und dreidimensional, mit kaum mehr Ähnlichkeit mehr zu den ursprünglich festgehaltenen Szenen.
Die papierenen Fotografien würden zu zerstörten Relikten der Vergangenheit.

Dem Künstler Johannes Förster ist genau so etwas passiert. Doch hat er die Erinnerungen auf Papier nicht als zerstört befunden und sich nicht wehmütig von ihnen getrennt. Er hat ihre melancholische Schönheit erkannt und sie ausgestellt. In den Räumen von Import Projects in der Keithstrasse in Berlin kann man diesem liquid archive begegnen. Und es ist eine Begegnung, die Fragen aufwirft: Wie wichtig sind uns unsere Erinnerungsbilder (denn auch digitale Bildarchive können ganz schnell unwiderruflich gelöscht sein)? Wie sehr hängt man an alten Fotografien? Wie fühlt man sich, wenn ein Teil der eigenen Lebensgeschichte „zerstört“ und verwässert an einer Wand hängt?

Die durch einen Unfall / Zufall entstandenen Bilder in Försters „Liquid Archive“ sind poetisch, faszinierend, beinahe malerisch, oder, wie es auf der Internetseite von Import Projects heißt: „The resulting images are painfully beautyful.“ In ihnen trifft ganz Profanes, wie die lockeren Szenen einer deutschen Jugend, auf Tiefsinniges, wie die Fragen nach unserem Verhältnis zu Erinnerungen, zu Vergänglichkeit und letztlich auch dazu, wie man mit Unvorhergesehenem umgeht und das Beste aus einer unveränderlichen Situation macht.

Ich hatte das Glück, gestern abend in einer überwiegend englischsprachigen conversation zwischen dem Kunsthistoriker Nico Anklam und Johannes Förster durch die Ausstellung geleitet zu werden. Jedem, den es noch bis zum 7.12. nach Berlin verschlägt kann ich diese kleine Ausstellung nur ans Herz legen. Ansonsten soll sich zeitnah auf der Homepage der Galerie auch eine Videodokumentation zur conversation finden!

„Liquid Archive“ ist noch bis 7.12. in den Ausstellungsräumen von Import Projects in der Keithstr. 10, 10787 Berlin zu sehen.

click for pics:

www.import-projects.org

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