Die Alternative Haben oder Sein leuchtet dem gesunden Menschenverstand nicht ein. Haben, so scheint es uns, ist etwas ganz Normles im Leben; um leben zu können, müssen wir Dinge haben, ja, wir müssen Dinge haben, um uns an ihnen zu erfreuen. In einer Gesellschaft, n der es das oberste Ziel ist, zu haben und immer mehr zu haben, in der man davon spricht, ein Mann sei „eine Million wert“: wie kann es da eine Alternative zwischen Haben oder Sein geben? Es scheint im Gegenteil so, als bestehe das eigentliche Wesen des Seins im Haben, so daß nicht ist, wer nichts hat. (…)
Fassen wir zusammen: Konsumieren ist eine Form des Habens, vielleicht die wichtigste in den heutigen „Überflußgesellschaften“; Konsumieren ist etwas Zweideutiges. Es vermindert die Angst, weil mir das Konsumierte nicht weggenommen werden kann, aber es zwingt mich auch, immer mehr zu konsumieren, denn das einmal Konsumierte hört bald auf, mich zu befriedigen. Der moderne Konsument könnte sich mit der Formel identifizieren: Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere.
Erich Fromm: Haben oder Sein. DTV-Verlag München 1976 (hier: 33. Auflage 2005) S. 29ff.
Demnach bin ich wohl ein Buch 🙂
Interessant, dass ich ein Buch sowohl haben möchte, als auch lesen, verstehen, konsumieren, verarbeiten will, was Fromm zufolge doch zum „sein“ führen würde, oder? Ein Buch ist also erst ein Objekt, das ich als Teilhaberin der Überflussgesellschaft besitzen, also haben möchte und dieses Objekt bringt mich dazu zu sein, im Leseprozess aktiv in eine andere Gedankenwelt einzutauchen, mich in Konzentration etwas zu widmen, mein Gehirn zu benutzen… zu sein.
Spannend!
Ja, so könnte man das auf die Leseleidenschaft bezogen wohl ausdrücken. Bei aller Bücherliebe sollte man nicht vergessen, dass es immer auch um den Inhalt geht, um die Geschichte. Es geht in Wirklichkeit nicht darum, das Buch zu haben, zu besitzen – man will die Geschichte durchleben, aus sich selbst heraustreten und durch die Worte des Autors ebenjener Geschichte in eine andere Welt eintauchen und damit das Sein vertiefen oder er-höhen … je nachdem. Daher finde ich es gar nicht schlimm, Bücher auch mal auszuleihen und sie dann dem Besitzer wiederzugeben oder zu tauschen oder sie zu verschenken. Ich könnte mich auch mal gut von ihnen trennen, dennoch habe ich ihre Wirkung in mir. Und wenn ich auch manche Geschichte vergesse, so zeigt sich doch die wirkliche Qualität von Literatur darin, welche Eindruck sie in meinem Kopf, in meinen Gedanken und in meinem Verstand hinterließ – sie prägte mich, mehr als es das Buch in meinem Regal stehend tut, das nur Materie ist, und erst dann wichtig wird, wenn ich mich darüber mit einem anderen Subjekt austausche, wie hier in unserem Blog oder mit dir im Gespräch oder auf wissenschaftlicher Ebene in einer Facharbeit …. Wir sollten generell viel mehr ans Sein denken oder einfach Sein, leicht gesagt, ich weiß – in einer Stadt wie Berlin ist man täglich von all den verlockenden Konsumgütern umgeben, die dir zeigen wollen, dass du sie brauchst, weil sie dich zu einem besseren Menschen machen. Da braucht es schon Stärke, um zu widerstehen – da kann sich keiner von ausnehmen – auch ich nicht. Auch Bücher werden leider wie andere Gebrauchtware beworben und wollen konsumiert werden. Meine Einstellung ist dies nicht – aber auch ein Buch ist eine Ware. Es kommt aber immer auf die Geschichte an, die Worte – dann ist es egal, ob ich ein E-Book lese oder ein gebundenes Buch in den Händen halte. Allgemein sollte Literatur nicht an das Trägermedium gebunden sein: es zählt das Wort. Amen =) …