Der philosophische Mittwoch: Knietief in der Philosophie

Schein und Sein

METAPHYSIK kann man als den Versuch definieren, eine Theorie des Weltganzen zu entwickeln. Sie soll beschreiben, wie die Welt in Wirklichkeit ist, nicht, wie die Welt uns vorkommt, wie sie uns erscheint. Auf diese Weise hat die Metaphysik die Welt gewissermaßen erst erfunden. Wenn wir von „der Welt“ sprechen, meinen wir alles, was wirklich der Fall ist, oder anders: die Wirklichkeit. Dabei liegt es nahe, uns Menschen aus der Gleichung „die Welt = alles, was wirklich der Fall ist“ rauszustreichen. Denn man nimmt ja an, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Dingen, wie sie uns erscheinen, und den Dingen, wie sie wirklich sind. Um herauszufinden, wie sie wirklich sind, muss man also sozusagen alles Menschengemachte am Erkenntnisprozess abziehen. Jetzt stecken wir schon knietief in der Philosophie.

Markus Gabriel: Warum es die Welt nicht gibt, Ullstein Verlag Berlin, 2013. Hier S. 10 f.

2 Gedanken zu “Der philosophische Mittwoch: Knietief in der Philosophie

  1. Ich muß gestehen, daß ich solche Sätze als Einführung in die Philosophie nicht für besonders hilfreich und gelungen halte. Im Gegenteil: Sie verfehlen die Philosophie. Und insbesondere ein so komplexes Feld wie die Metaphysik wird heruntergebrochen zu einer Theorie des Weltganzen bzw. aufs common sense-Niveau gesenkt. Ich kenne das Buch von M. Gabriel nicht, aber wenn ich solche Sätze lesen, verspüre ich wenig Lust auf einen solchen Text.

    Die besten Einführungen in die Philosophie bleiben die Primärtexte. Allerdings, das ist wahr: es ist schwierig, gute Einführungen in die Philosophie zu schreiben – fast so schwierig wie Philosophie selbst.

    Vielleicht äußert sich Gabriel an anderer Stelle gehaltvoller über das Wesen der Metaphysik und ich tue dem Buch unrecht. Aber wie geschrieben: Wenn ich solche Passagen lese, dann gruselt es mich. Und auch die Titelwahl des Buches läßt ganz und gar nichts Gutes ahnen. Vielmehr vermute ich, daß da jemand auf den Precht-Zug aufspringen möchte.

    1. =)
      Ich kenne R. Prechts Bücher nicht, habe nur mal einen belletristischen Versuch von ihm gelesen, der sehr mühsam war … Ich weiß nicht, ob es einen „Precht-Zug“ gibt, ich habe nicht das Gefühl, Herr Professor Gabriel würde da aufspringen. Nur der Verlag wünscht sich das wahrscheinlich, denn dann finden die Bücher Absatz.
      Ich weiß auch nicht, ob Herr Precht je einen Philosophie-Lehrstuhl inne hatte … Viele Frauen würden dann sicherlich die komplexesten Seminare bei ihm besuchen und sich auch mal durch die „Phänomenologie“ quälen …
      Du tust dem Buch Unrecht, da es diesen Anspruch nicht hat. Herr Gabriel bietet keine Systemphilosophie und hat keine wissenschaftlichen Anspruch, was nicht heißt, das Buch besäße kein Niveau oder seine Thesen besäßen keine Überzeugungskraft. Es ist an ein Publikum gerichtet, dass nicht die kompletten Standardwerke kennt oder kennen muss, um alles zu verstehen. So jedenfalls formuliert es Herr Gabriel in seinen einleitenden Worten. Ich habe bis jetzt allerdings nur 60 Seiten gelesen und muss sagen, bei manchen ontologischen Gedanken sind ein wenig geübte philosophische Gedankengänge und Grundkenntnisse der Weltbetrachtung schon vonnöten.
      Natürlich kannst du jetzt einwerfen, „wozu braucht es dann ein solches Buch?“ Für einen so fundiert wissenschaftlich gebildeten Leser wie du es bist (Beurteilung anhand deiner Blogartikel ;), bringt dieses Buch vielleicht nicht so viel tiefgehend Neues in der Erläuterung der Metaphysik und der bisherigen erkenntnistheoretischen Gedankenkomplexe. Wohl aber beschreibt er in einfachen klaren Worten seine sogenannte Idee des „Neuen Realismus“. Ob diese Idee so neu ist und er mich davon überzeugt oder ich dies so verstehe, wird sich zeigen. Ich werde dazu in jedem Fall etwas schreiben und kann dir dann mehr sagen … Ich bin gespannt und finde es gut, dass durch dieses Buch so manchem Leser, der Respekt vor theoretischen Philosophietexten hat, die Lust am Philosophieren ein wenig näher gebracht wird … Heutzutage hat ja die Philosophie keine so tragende Rolle in der Gesellschaft mehr (Hatte sie das je?) … Jedoch mag ich die Art und Weise eines Richard David Prechts auch nicht. Das nur dazu …

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