@bout: „Das Geräusch des Werdens“ von Aléa Torik

Nachdem wir beide sehr begeistert von „Aléas Ich“ waren, haben wir gemeinsam den Debütroman der Autorin „Das Geräusch des Werdens“ gelesen.
In diesem Roman verdichtet sich ebenfalls die rumänische Lebenswelt rund um den Ort Marginime mit der Berliner Gegenwart. Anhand mehrerer Familien und Figuren entspinnt sich ein Netz aus Zusammenhängen, in denen es um Lebensentwürfe und Liebe, um Aufbruch und Stillstand, um Blindheit, Fotografie und Heimat geht.

Alea Torik_Das Geräusch des Werdens

Ich stehe gebannt am offenen Fenster und höre, wie eine Umgebung entsteht, wie Gegenstände wachsen und werden. In solchen Momenten wird der Raum, den ich oft nur als drückende Masse empfinde, die auf mir lastet, zu einer Umgebung und einem Gefüge, in das ich eingebettet bin. Ein Leben, zu dem ich gehöre und an dem ich teilnehme. An ihren Geräuschen kann ich erkennen, dass da draußen tatsächlich eine Welt existiert und nicht nur unendlicher Raum. Man müsste all das, was wird, was entsteht oder vergeht, alles, was eine Entwicklung nimmt, einen Verlauf oder eine Veränderung, man müsste alles dazu zwingen, dabei ein Geräusch zu machen. Denn nur am Geräusch des Werdens kann ich erkennen, das etwas ist.“

Laura: Es ist ja bereits bei uns beiden eine Weile her, dass wir „Das Geräusch des Werdens“ von Aléa Torik gelesen haben. Was ist dir noch besonders in Erinnerung geblieben?

Katja: Erstmal muss ich sagen, dass ich Aléa Toriks Art eine Geschichte zu erzählen, wunderbar finde und sehr beeindruckt von ihrem Sprachgefühl bin. Ich erinnere vor allem die Hauptfiguren Leonie und Marijan, mit denen die Geschichte beginnt – im Gedächtnis bleiben mir vor allem bestimmte Situationen, Gefühle und Bilder. Großartig wie eindrücklich die Autorin ihre Figurenwelten zum Leben erweckt. Weiterlesen

@bout: „Ausweitung der Kampfzone“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin

In der Neuen Nationalgalerie in Berlin ist nun (nach „Moderne Zeiten“ und „Der geteilte Himmel“) der dritte Teil der Sammlungsausstellung „Ausweitung der Kampfzone“ zu sehen. Der Titel der Ausstellung orientiert sich am gleichnamigen Roman Michel Houellebecqs, in dem die heutige liberalisierte Gesellschaft als Kampfzone in allen Bereichen aufgefasst wird.Ausweitung der Kampfzone

„In einem völlig liberalen Wirtschaftssystem häufen einige wenige beträchtliche Reichtümer an; andere verkommen in der Arbeitslosigkeit und im Elend. In einem völlig liberalen Sexualsystem haben einige ein abwechslungsreiches und erregendes Sexualleben; andere sind auf Masturbation und Einsamkeit beschränkt. Der Wirtschaftsliberalismus ist die erweiterte Kampfzone, das heißt, er gilt für alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. Ebenso bedeutet der sexuelle Liberalismus die Ausweitung der Kampfzone, ihre Ausdehnung auf alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen.“

(aus Michel Houellebecq: „Ausweitung der Kampfzone“, S. 108f.)

Um halbwegs durchs Leben zu kommen, gilt es in allen Bereichen, besonders aber in der Wirtschaft und in der Sexualität, zu kämpfen. So ergeht es dem namenlosen Ich-Erzähler Houellebecqs und seinem Kollegen Tisserand, so ergeht es den Künstlern in der Ausstellung „Ausweitung der Kampfzone“. Die ausgestellten Kunstwerke spiegeln eine breitgefächerte Themenvielfalt wider und zeigen Kämpfe in Deutschland 1968 – 2000 an ganz unterschiedlichen Fronten: In der Sexualität und zwischen den Geschlechtern, in der Politik (RAF), in den Medien der Kunst (Malerei, Video, Performance…).

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@bout: Ai Wei Weis Baum im Bunker Berlin

Mitten in Berlin Mitte in der Reinhardtstraße steht ein Bunker. In seinem Inneren befinden sich zahlreiche vom Sammlerehepaar Boros zusammengestellte Kunstwerke, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Allerdings nur nach vorheriger Anmeldung – und mit viel Vorlaufzeit, da die geführten Besuche des Bunkers sehr beliebt sind. Wir haben die Sammlung Boros besucht und wollen euch exemplarisch von einem Kunstwerk berichten, das uns u.a. sehr beeindruckt hat. Da sowohl der Bunker ein extrem geschichtsträchtiger Ort ist, als auch zum vorgestellten Künstler sehr viel zu erzählen ist, seht diesen Dialogue als Anregung zum Weiterlesen, Weiterinformieren oder aber als Aufforderung zum Besuch des Bunkers in der Reinhardtstraße in Berlin!

Bei diesem Bunker handelt es sich um einen ehemaligen Luftschutzbunker aus der Zeit des 2. Weltkrieges. Er wurde 1942 nach Entwürfen von Karl Bonatz und Albert Speer gebaut. Da es in Berlin an dieser Stelle aufgrund des hohen Grundwasserspiegels schwierig war einen typischen Kellerbunker zu bauen, handelt es sich bei diesem Luftschutzbunker um einen Hochbunker. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente er überwiegend als Lager für Textilien und Gemüse oder Obst. In den 1990er Jahren wurde er für (verbotene) Techno- und Fetisch-Parties genutzt und erhielt sein Image als „härtester Club der Welt“. 2003 kaufte Christian Boros den Bunker und eröffnete ihn nach Umbaumaßnahmen ab 2007 für Kunstausstellungen seiner Sammlung.

Laura: Als ich das erste Mal im Bunker war, hat mich dieser Ort an sich total fasziniert. Die mehrere Meter dicken Wände, die Geschichte, die in ihnen steckt… wahnsinn. Man hat ein beklemmendes Gefühl, zugleich ist man interessiert – und ich finde es eine grandiose Idee, einen solchen Ort für Kunstausstellungen zu nutzen. Die vielen kleinen Räume bieten die Möglichkeit, vor allem zeitgenössischen, oft raumgreifenden Installationen oder Skulpturen genügend Entfaltungsfläche zu geben, sodass sie richtig wirken können. Manche Kunstwerke sind ja auch im Dialog mit dem Bunker und ihrem dortigen Ausstellungsraum entstanden, und nehmen darauf Bezug. Wie wirkte der „Ausstellungsort Bunker“ mitten in Berlin auf dich?

Sammlung Boros
Ai Wei Wei, Sammlung Boros, Copyright: NOSHE

Katja: Das Gebäude und seine Architektur wirkt an sich schon sehr auf den Besucher. Wenn man sich vorstellt, dass die Leute hier bei Luftangriffen Schutz gesucht haben und dicht an dicht gedrängt viele Tage unter den widrigsten Bedingungen überleben wollten. Diesen geschichtsträchtigen und mit Krieg und Zerstörung assoziierenden Ort als Kunstgalerie zu  nutzen, hat schon etwas Makabres und Absurdes. Ich hätte mir gewünscht, dass im Bunker noch mehr auf seine Geschichte eingegangen wird. Es ist zwar ein Ort für die Kunst in privater Hand, jedoch sollte die spezielle Geschichte nicht so nebensächlich sein. Aber das ist nur meine Meinung. Herr Boros als Privatbesitzer kann dort eben schalten und walten wie er möchte.  Man hätte da Infotafeln o.ä. anbringen können… Weiterlesen

@bout John Irving: „Witwe für ein Jahr“ (1998)

John Irving_Witwe für ein Jahr

„Witwe für ein Jahr“ von John Irving ist für uns dieses Mal der Roman, mit dem wir uns beschäftigt haben. Es geht um die Familie Cole, in die Edward O´Hare durch einen Ferienjob hineingerät. Er beginnt als Teenager ein Verhältnis mit Marion Cole, einer wesentlich älteren Frau, die mit Ted Cole verheiratet ist. Deren Ehe ist aber seit dem Tod ihrer zwei Söhne stark von der Trauer beeinträchtigt. Darüber hinaus ist der Autor Ted Cole hinter weiblichen Wesen her, wie ein Löwe hinter seiner Beute. Und dann gibt es noch seine Tochter Ruth Cole, die später Schriftstellerin wird. Um sie und ihr Leben bzw. ihre Wiederbegegnung mit Edward geht es im Hauptteil. Der Roman ist sehr vielfältig, es geht nicht nur um Familienverhältnisse und Liebe, sondern auch um Verlust, den Umgang mit dem Tod und das Schriftstellerdasein bzw. darum, wie ein Roman entsteht. 

Laura: Für mich war es mein „erster Irving“. Was ist dir an dem Roman besonders aufgefallen?

Katja: Ich habe 2006 schon „GARP und wie er die Welt sah“ gelesen und war davon beeindruckt, welch unterhaltsamer und origineller Erzähler John Irving ist. Er erschafft ganz eigene Figurenwelten, zieht einen beim Erzählen direkt hinein in die Figurenwelt und in die Geschichte. Auch in „Witwe …“ empfinde ich das ähnlich. Ich habe das Gefühl, manche Eigenschaften von Figuren kehren wieder. Man könnte es ein irvingssches Stereotyp nennen. Man erinnert sich an die Figuren gut. Mir persönlich ist beim Lesen von Irvings Romanen aufgefallen, dass ich mich nicht mit seinen Figuren identifizieren kann oder diese besonders mag. Sie erscheinen mir so fern, so konstruiert, so fantastisch… Ich kann mich mit ihren Verhaltensweisen nicht identifizieren, aber das muss ich auch nicht. Will heißen – Irving schafft es mich im Leben von völlig fremden Menschen befinden zu lassen und das Gefühl zu haben, mitten drin zu sein ohne direkt zu verstehen oder zu mögen, was da passiert …

Laura: Vielleicht liegt es daran, dass ich Irving zuvor noch nicht gelesen habe, aber mich hat „Witwe…“ stark fasziniert. Natürlich ist es kein Kriterium für ein „gutes Buch“ (was immer das auch sein mag), ob man sich mit einer Figur identifizieren kann. Ich finde das gar nicht schlimm. Mich hat die Geschichte selbst auch enorm in ihre eigene fiktive Welt hineingezogen, da gings mir wie dir. Dabei konnte ich mich aber schon ein wenig mit Ruth anfreunden, bzw. war sie mir als Figur sympathisch. Ich fand sie gar nicht sonderlich konstruiert sondern ziemlich authentisch (alle Figuren).

Was mir besonders auffiel, ist, wie vielschichtig die Geschichten im Roman sind. Irving spricht soviele Ebenen und Themen an und reflektiert währenddessen darüber, ohne dass die Figuren an Intensität verlieren. Wenn ich an das Buch zurückdenke, sind mir meine mentalen Bilder noch sehr präsent in Erinnerung. Ist dir die Reflektion über das Schreiben und Entstehen eines Romans auch so aufgefallen?

Katja: Ja natürlich, auf der Metaebene geht es auch viel um das Schriftstellerleben und was es bedeutet, einen Roman zu schreiben. Ruth Cole, die „Witwe für ein Jahr“ begleitet man auf Lesereisen, Lesungen, Verlagsveranstaltungen durch die Welt. Das fand ich spannend. Auch das Thema „Fiktion vs. Authentizität“, das du schon mal kurz angesprochen hattest, finde ich spannend. Ist ein Roman irgendwie immer autobiographisch? Diese Frage beschäft Irving ja stark, da viele Leser in seinen Romanen Autobiographisches vermutet und hineingelesen haben. Im Nachwort zu Garp zur dt. Auflage Nr. 44 (!!!) schreibt er 1998: „Ein Erwachsener, der einen Roman liest, sollte wissen, worum es in dem Buch geht; ein Erwachsener sollte auch wissen, daß es nicht darauf ankommt, ob ein Roman autobiographisch ist oder nicht – es sei denn, dieser vermeintliche Erwachsene ist hoffnungslos naiv oder sonstwie unbedarft in der Welt der Literatur.“ =)

Laura: Definitiv ganz spannender Gegensatz bei Irving; Fiktion vs. Authentizität! Das hat mich auch sehr beeindruckt, wie er damit umgeht. Zum einen gibt es Stellen, an denen seine Figuren über Fiktion nachdenken, z.B. hier: „Als Romanautorin widerstrebte es ihr, über lebende Personen zu schreiben; sie empfand es als mangelnde Phantasie, denn jeder Romanautor, der diese Bezeichnung verdient, muß imstande sein, Figuren zu erfinden, die interessanter sind als ihre lebenden Vorbilder.“ (S.322) Und dann sind da noch so eingeflochtene Parallelen zu seinem eigenen Leben, wie die Tatsache, dass das Kapitel seines Romans „Die blaurote Luftmatratze“ von Ruth Cole (also seiner Romanfigur) verfasst wurde und in der Süddeutschen Zeitung erscheint; gleichzeitig im Dankwort vor dem Roman darauf hingewiesen wird, dass eben dieses Kapitel in eben dieser Zeitung 1994 erschien. Kein Wunder, dass manche Leser seine Romane für autobiografisch halten. Diese Schnittstellen und Schwellenebenen haben ihn Ende der 90er offenbar stark beschäftigt.

Katja: Nochmal was Generelles, damit das deutlich wird: Unstrittig ist John Irivng für mich auch ein großartiger Erzähler und ich hatte wieder großes Vergnügen beim Lesen eines Irvings. Sicherlich werde ich auch noch mehr von ihm lesen. Mit „Konstruiertheit der Figuren, so dass ich mich nicht mit ihnen identifizieren kann“ meine ich, dass er eine gewisse Dramatik in den Handlungsbeschreibungen und Lebenswegen einschlägt, die einfach so überraschend und einschneidend sind wie sie sich nur die kühnste Autorphantasie ausmalen kann. Darin liegt seine Stärke. Irving ist ein Maler, er malt Szenen, in die man eintaucht, er entführt den Leser in eine skurrile Figurenwelt, die man intensiv miterlebt. Das meine ich mit „konstruiert“. Da sind wir wieder bei der Begrifflichkeit Authentizität. Was heißt denn das, wenn eine Figur authentisch ist? Das man sich vorstellen kann, dass es sie in der „Realität“ geben kann und sie sich genauso verhalten könnte? Authentizität hängt ja auch immer davon ab, was ich mir selbst alles vorstellen kann und was ich selbst schon erlebt habe. Nehmen wir einen Menschen, der nichts erlebt hat – weder Tod, noch Liebe noch Leid – welche Handlungen in einem Roman wären denn dann „authentisch“? Ich halte das für einen schwierigen Begriff, der auf fiktionale Handlungen nicht wirklich gewinnbringend angewendet werden kann. Will heißen – er führt zu nichts.

Ich halte den Gegensatz von Authentizität und Fiktion für ein Konstrukt.

Laura: Hmm, ist ja interessant, dass du selbst den Begriff dann verwendest im Gegensatzpaar. Ich finde das Thema total spannend, und hatte nach meiner Irving-Lektüre auch mal eingehender darüber nachgedacht. Gibt es überhaupt einen Menschen, der nichts erlebt hat und somit auf keine Erfahrungen zurückgreifen kann? Und: Für mich ist etwas (wie eine Figur) authentisch, wenn sie nachvollziehbar handelt und es sie so in der Realität auch geben könnte, genau. Das heißt aber nicht unbedingt, dass ich das wiederum selbst erfahren haben muss um es mir vorstellen zu können… dann könnte ja auch ein Autor nur über Mord schreiben, wenn er selbst einen erlebt hat. Aber gut, das führt jetzt zu weit weg…

Andere Frage noch zu etwas, das mir stark auffiel in „Witwe für ein Jahr“: Wie gings dir mit dieser krassen Konfrontation Ruth Coles mit dem Tod ihrer Brüder durch wändeweise Fotos und dem Fahrtraining durch ihren Vater? Ich fand das sehr einprägsam und heftig, so mit Trauer umzugehen über Jahre hinweg.

Katja: Mit dem Gegensatzpaar beziehe ich mich ja nur auf deinen damaligen Artikel … Aber zu deiner Frage – Da stimme ich dir zu. Diese Fotografien an den Wänden, mit denen die Trauer verarbeitet wird, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Ich erinnere mich jetzt noch gut an das Foto „mit den Füßen“, wo beide Söhne mit der Mutter auf einem Bett unter der Decke liegen und nur die Füße schauen raus. Irving beschreibt es so eindrücklich, dass ich das Gefühl habe, es gesehen zu haben. Das macht seine große Erzählkunst aus.

Wie emfandest du denn die Sexszenen? Ich habe den Eindruck Sex in all seinen Spielarten ist ein wichtiges Thema bei Irving.

Laura: Stimmt, dieses Foto mit den Füßen kam so eindrücklich und häufig vor im Buch, dass ich es auch meine, selbst gesehen zu haben. Das ist toll, wenn ein Autor sowas schafft! Wahre Erzählkunst. Und du hast Recht, Sex spielt auch eine große Rolle. Nicht nur deshalb, weil der Roman teils in Amsterdam im Rotlichtmilieu spielt. Obwohl ich es nicht zuuviel fand, was manche ja bei Irving kritisieren. Es ist natürlich ungewöhnlich, so ausführlich über Sex mit einer wesentlich älteren Frau zu lesen, aber ich fands (mit einem gewissen Befremden) auch spannend.

Katja: Genau das meine ich auch mit der Identifikation, Konstruiertheit und Sympathie. Ich tauche als Leser in Irvingsche Figurenwelten, die teilweise so eigen und absonderlich sind, so zutiefstmenschlich und fast schon überdramatisch menschlich, das heißt, sie erleben die Klaviatur der menschlichen Emotionen. Ein wahres emotionales Fest könnte man sagen. Man kommt nicht immer mit, man ist überrascht, man fremdelt, man ist fasziniert. Jeder Leser sicherlich mit seinem eigenen Erfahrungshorizont. Irving unterhält einen nicht nur, er inszeniert. Vielleicht beschreibt das am besten meinen Leseeindruck. Übrigens sind Irving-Verfilmungen auch sehr zu empfehlen. Von Garp und wie er die Welt sah“, „Das Hotel New Hampshire“ und „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ gibt es tolle Verfilmungen.

Laura: Ich verstehe, was du meinst. Man taucht komplett in die Irvingssche Erzählwelt ein und muss sich erstmal schütteln, wenn man daraus hervor wieder in den eigenen Alltag auftaucht. Mich hat das stark beeindruckt und ich will unbedingt noch mehr von ihm lesen. Er hat auch schon seinen Platz im Regal meiner „Lieblingsautoren“. Liebe auf den ersten Roman, wenn man`s pathetisch mag 😉 Und ein guter Tipp mit den Verfilmungen, das werd ich mir mal merken!

John Irving: „Witwe für ein Jahr“, 1998 erschienen bei Diogenes.

>>> Interessantes Interview mit John Irving zu seinem letzten Roman „In einer Person“

@bout Paul Delvaux: „Die Phasen des Mondes“ (1939)

In regelmäßigen Abständen möchten wir hier in der Form eines Dialoges unsere Auseinandersetzung mit bestimmten Gemälden und Bildern zeigen. Hierbei geht es nicht um eine kunstwissenschaftliche genaue Analyse, die kunsttheoretischen Begriffen genügen muss. Wir möchten mit unserem Kunstgespräch Denkanstöße geben und dazu inspirieren, sich mit Bildern ganz unvoreingenommen und offen auseinanderzusetzen. Dabei kann der Blick jedes Einzelnen auf faszinierende Deutungsmöglichkeiten gelenkt werden, ausgehend von einem ersten Eindruck, den ein Betrachter auf ein bestimmtes Bild erhalten kann. Wir laden euch ein zum Innehalten und Selbstreflektieren und möchten euch zeigen, dass Kunst ebenso wie Literatur einen faszinierenden Bedeutungsspielraum entfalten kann und eine große Kraft besitzt, die vor allem dann zum Tragen kommt, wenn wir uns zu ihr in Beziehung setzen und versuchen, in ihr zu lesen und zu erkennen.

Diesmal betrachten wir uns das Gemälde „Les Phases de la lune“ (Die Phasen des Mondes) des belgischen Malers Paul Delvaux (1897 Antheit – 1994 Fumes). Das Öl-Gemälde auf Leinwand, entstanden 1939,  ist im Besitz des Museum of Modern Art in New York und gehört zu den frühen surrealistischen Werken des Künstlers. Paul Delveaux schloss sich 1937 der surrealistischen Bewegung an, nachdem er sich mit den Malern René Magritte und Giorgio de Chirico beschäftigt hatte.

Paul Delvaux_ Die Phasen des Mondes
Quelle: SCALA Group S.p.A. Florence, S. 162

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@bout David Wagner: Leben (Roman, 2013)

Über das Buch

Für diesen Dialog entschieden wir uns, dass wir das Buch  lesen, welches den Preis der Leipziger Literatur- Buchmesse in der Kategorie Belletristik gewinnt. Der Preis ging glücklicherweise an David Wagner und sein Buch „Leben“, unsere geheime Hoffnung.

In „Leben“ beschreibt der Ich-Erzähler die Geschichte seiner Lebertransplantation. Der Leser erlebt die Krankenhausaufenthalte und gedanklichen Auseinandersetzungen des Erzählers mit, der seit seiner Pubertät an einer Autoimmunerkrankung leidet, die die Leber zerstört. Tag für Tag wartet er auf die erlösende Nachrichts und den Anruf des Arztes: Wir haben eine Leber für sie. Wie fühlt man sich, wenn man darauf hoffen muss, dass ein anderer Mensch stirbt, damit man selbst weiterleben darf? Was bedeutet Leben, wenn man nicht weiß, ob es weiter gehen wird, und welche Gedanken bewegen einen Menschen dabei? Davon erzählt David Wagner und wir sind ihm dabei gefolgt.

Zeus hat Prometheus dafür bestraft, daß er den Menschen das Feuer gebracht hat. Er kettet ihn auf einem Felsen an und läßt einen Adler jeden Tag ein Stück von seiner Leber fressen. Prometheus ist gefesselt, stirbt aber nicht, der Mythos weiß um die erstaunliche Regenerationsfähigkeit des Organs. Lebergewebe wächst nach, sieh an. Wachs doch nach, liebe Leber.

David Wagner_ LebenKatja: Als erstes muss ich sagen, dass ich froh war, dass David Wagner gewonnen hat, weil mich das Buch auch am ehesten interessiert hatte von den diesjährigen Nominierten. Ich bin ja eher nicht so, dass ich die Bücher lese, die einen Literaturpreis gewinnen, weil das nicht unbedingt was zu sagen hat hinsichtlich der Qualität des Textes, aber gut …

Ich hab mich zuerst gefragt, warum das Buch nicht „Leber“ heißt – sondern „Leben“ –  hätte ja zum humorvollen Grundton gepasst ….

Laura: Interessant, ich habe beim Lesen immer gedacht, das Buch könnte auch „Sterben“ heißen. Im Grunde befindet sich der Erzähler ja stets auf der Grenze zwischen Leben und Sterben, auch mental. Aber letztlich will er ja leben und es ist natürlich positiver ein Buch so zu nennen 😉
Und zum positiven Grundton passt natürlich auch der Umgang mit Humor. Ich finde auch, das Buch ist sehr authentisch und menschlich geschrieben. Weiterlesen

Writeaboutsomething auswärts: Der Dialog über den Dialog

Vor kurzem erreichte uns eine freundliche E-Mail der Autorin Ulrike Rudolph vom Gemeinschafts-Blog Seitenspinnerinnen, den sie gemeinsam mit ihren Autorinnenkollegen Mila Lippke, Beate Sauer und Brigitte Glaser pflegt.

Die Seitenspinnerinnen beschäftigen sich diesen Monat mit dem Thema Dialog und luden uns beide ein, ihnen ein paar Fragen zum Thema Bloggen als Dialogform zu beantworten. Dies liegt bei uns ja nahe, da wir des öfteren unsere Blogartikel in Dialog-Form verfassen und sehr am Dialog mit den Lesern interessiert sind. Wer neugierig ist und schon immer mal etwas über unsere Motivation zu bloggen, unser Blogkonzept sowie unsere Einstellung zu Blogkommentaren erfahren möchte, der darf gern bei Ulrike und „Kolleginnen“ vorbeischauen und hier wie dort kommentieren. Sowohl konstruktiv, als auch völlig unsachlich, emotional oder sinnentleert – frei nach dem Motto „Feedback ist alles“ – *Ironie an* Jetzt könnt ihr mal direkt auf unsere Thesen zum Blogdialog eingehen und uns mitteilen, was ihr uns schon seit Blogbeginn letzten Juli mitteilen wolltet. Wir freuen uns auf den Austausch! =)

Hier gehts zum Gastartikel >>> Literarischer Teesalon: Zu Gast die beiden Bloggerinnen vom Kunst-Literatur-Blog „aboutsomething“

@bout: Edouard Manet „Im Wintergarten“, (1879)_Im Fokus

Quelle: Wikipedia

Vor 181 Jahren wurde der französische Maler Edouard Manet in Paris geboren. Wir sehen uns anlässlich seines Geburtstages sein Gemälde „Im Wintergarten“ genauer an und nehmen es in unseren Fokus. Das Ölgemälde auf Leinwand hängt zur Zeit in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel in Berlin. Es stellt das Ehepaar Guillemet dar, die ein Modehaus im Paris des 19. Jahrhunderts betrieben. Weiterlesen

@bout Sibylle Berg: „Vielen Dank für das Leben“ (Roman, 2012)

Über das Buch

Sibylle Bergs Hauptfigur Toto ist anders und dadurch hat sie es schwer in ihrem Leben. Was ist sie eigentlich? Geboren wird sie 1966 im sozialistischen Teil Deutschlands und landet im Laufe ihres Lebens im Westen. Von Anbeginn ihres Lebens wird ihr gezeigt, dass sie nichts ist, nicht gewollt ist und keinen Platz in dieser Gesellschaft bekommen soll. Ihre alkoholkranke Mutter möchte sie am liebsten gar nicht auf die Welt bringen, und als Toto da ist, schaut sie ihr Kind nicht einmal richtig an. Toto ist ein Hermaphrodit und der Arzt entscheidet sich pragmatisch bei ihrer Geburt, sie einfach zum männlichen Geschlecht zu zählen. Sibylle Berg beschreibt liebevoll, bitterböse-zynisch und zutiefst sensibel und traurig wie das ungewollte Heimkind Toto fremdbestimmt ihren Weg geht und als passive Beobachterin die Welt eher erleidet, denn aktiv erlebt oder mitgestaltet: vom Heim auf den Bauerhof, vom Hof in die Kommune im Westen, von der Kommune an die Bar, bis hin zum Obdachlosenheim und die Straße, wo sie ihr Jugendfreund Kasimir rettet, mit dem sie nach Paris in eine schicke Wohnung zieht. Doch dieser hat sich einzig zur Aufgabe gemacht, Toto zu vernichten, da sie alles darstellt, was er aus tiefsten Herzen hasst … Toto stirbt einsam und allein.

Laura: Frau Berg, die wir dieses Jahr beide für uns neu entdecken durften, hat mit ihrem neuesten Roman „Vielen Dank für das Leben“ ein Buch vorgelegt, das, wie ich finde, in zwei wesentlichen Punkten auffällt: zum einen die Gesellschaftskritik, Nachkriegs-Deutschland zwischen Ost und West (oder Kommunismus und Kapitalismus, wie sie es eher nennt) und zum anderen durch die Figur Toto. Weiterlesen