Meeting T.C. Boyle!

Am Montag abend hatten wir die Ehre den amerikanischen Schriftsteller T.C. Boyle während eines Bloggertreffens persönlich kennenzulernen. Auf Einladung des Hanser Verlages waren wir mit dabei und konnten die Gelegenheit nutzen, ihm Fragen zu stellen und unsere „Hart auf Hart“-Exemplare signieren zu lassen.

DSC00151 DSC00150

T.C. Boyle ist ein unglaublich lockerer, witziger Typ. Er sprach über seine Bücher, als wären es Geliebte von ihm. Man merkt ihm deutlich an, dass er für das Schreiben „brennt“. Vielmehr bezeichnete er es als addiction zu schreiben. Anders ließe sich vermutlich auch kaum die beeindruckende Regelmäßigkeit und Vielzahl seiner Veröffentlichungen erklären. (siehe hierzu bspw. den Link der Fanpage: www.tcboyle.de)
In seinen Romanen und Kurzgeschichten stehen häufig Randfiguren im Mittelpunkt. Außerdem geht es oft um das Verhältnis von Mensch und Natur bzw. das Leben des Einzelnen in seiner Umgebung und die Wechselbeziehung mit dieser. Katja hat das, was Boyles Werke ausmacht in einem Lese-Appell so zusammengefasst: „Boyle beherrscht die Klaviatur menschlicher Abseitigkeiten und Leidenschaften bis ins kleinste Detail und entlarvt hingebungsvoll die Brüchigkeit von Ikonen, Weltbildern und scheinbar für die Ewigkeit gedachten Konventionen.

T.C. Boyle, dessen Lesungen stets ein Erlebnis sind, sprach bei dem Treffen davon, wie die Figuren und die Romane sich entwickeln und aus sich heraus entstehen. Er habe keine fixe Idee im Vorhinein, sondern „he´s entering the character´s brains“ und empfinde durchaus Sympathie für sie.
Es war sehr spannend und unterhaltsam, ihm zuzuhören. Wir bedanken uns ganz herzlich beim Hanser Verlag für diese Gelegenheit!!! Und freuen uns nun erstmal auf die Lektüre des aktuellen Romans von ihm…

Am Mittwoch, 18.02.15 liest T.C. Boyle in Berlin aus seinem neuen Roman. Da die Veranstaltung leider schon ausverkauft ist, besteht zumindest die Möglichkeit, der Live-Übertragung ab 19.30h auf Radio Eins zu lauschen.

Link zur RBB-Seite mit Infos zur Veranstaltung und Video des Autors, der sein Buch vorstellt

Lest T.C. Boyle!


© Carl Hanser Verlag
© Carl Hanser Verlag

T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, unterrichtete an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Willkommen in Wellville (Roman, 1993), América (Roman, 1996), Riven Rock (Roman, 1998), Fleischeslust (Erzählungen, 1999), Ein Freund der Erde (Roman, 2001), Schluß mit cool (Erzählungen, 2002), Drop City (Roman, 2003), Dr. Sex (Roman, 2005), Talk Talk (Roman, 2006), Zähne und Klauen (Erzählungen, 2008), Die Frauen (Roman, 2009), Das wilde Kind (Erzählung, 2010), Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012), San Miguel (Roman, 2013) und die Neuübersetzung von Wassermusik (Roman, 2014).

Ausstellungsbesuch: „Queensize. Female Artists from the Olbricht Collection“

Ausstellungsansicht  © Katja
Ausstellungsansicht
© Foto: Katja

Die aktuelle Ausstellung im Me Collectorsroom in der Berliner Auguststraße versammelt Kunstwerke von rund 60 Künstlerinnen aus der Sammlung von Thomas Olbricht. Typischerweise finden sich die für dessen Sammlung signifikanten Themen: Leben, Vergänglichkeit, Sex und Tod. Zeitlich umfassen die gezeigten Werke gegenwärtige Positionen von den 1980er Jahren bis heute.

Bereits der Titel der Ausstellung gibt einen Hinweis auf den den Fotos, Gemälden, Skulpturen und Filmen gemeinsamen Themenkomplex: „Queensize“ als Bezeichnung für eines der größten Bettenformate verweist gleichermaßen auf Weiblichkeit („queen“) und das Bett symbolisiert „den existentiellen Ort menschlicher Erfahrung“ (Flyerheft zur Ausstellung). Doch es geht in den Arbeiten um mehr als um Leben und Tod oder Träume und Albträume. Weiterlesen

@bout: „Das Geräusch des Werdens“ von Aléa Torik

Nachdem wir beide sehr begeistert von „Aléas Ich“ waren, haben wir gemeinsam den Debütroman der Autorin „Das Geräusch des Werdens“ gelesen.
In diesem Roman verdichtet sich ebenfalls die rumänische Lebenswelt rund um den Ort Marginime mit der Berliner Gegenwart. Anhand mehrerer Familien und Figuren entspinnt sich ein Netz aus Zusammenhängen, in denen es um Lebensentwürfe und Liebe, um Aufbruch und Stillstand, um Blindheit, Fotografie und Heimat geht.

Alea Torik_Das Geräusch des Werdens

Ich stehe gebannt am offenen Fenster und höre, wie eine Umgebung entsteht, wie Gegenstände wachsen und werden. In solchen Momenten wird der Raum, den ich oft nur als drückende Masse empfinde, die auf mir lastet, zu einer Umgebung und einem Gefüge, in das ich eingebettet bin. Ein Leben, zu dem ich gehöre und an dem ich teilnehme. An ihren Geräuschen kann ich erkennen, dass da draußen tatsächlich eine Welt existiert und nicht nur unendlicher Raum. Man müsste all das, was wird, was entsteht oder vergeht, alles, was eine Entwicklung nimmt, einen Verlauf oder eine Veränderung, man müsste alles dazu zwingen, dabei ein Geräusch zu machen. Denn nur am Geräusch des Werdens kann ich erkennen, das etwas ist.“

Laura: Es ist ja bereits bei uns beiden eine Weile her, dass wir „Das Geräusch des Werdens“ von Aléa Torik gelesen haben. Was ist dir noch besonders in Erinnerung geblieben?

Katja: Erstmal muss ich sagen, dass ich Aléa Toriks Art eine Geschichte zu erzählen, wunderbar finde und sehr beeindruckt von ihrem Sprachgefühl bin. Ich erinnere vor allem die Hauptfiguren Leonie und Marijan, mit denen die Geschichte beginnt – im Gedächtnis bleiben mir vor allem bestimmte Situationen, Gefühle und Bilder. Großartig wie eindrücklich die Autorin ihre Figurenwelten zum Leben erweckt. Weiterlesen

In Memoriam: Wolfgang Herrndorf

„Man wird nicht weise, man kommt der Wahrheit nicht näher als jeder. Aber in jeder Minute beim Tod zu sein, generiert eine eigene Form von Erfahrungswissen.“

Wolfgang Herrndorf ist ein Autor, dessen Bücher man, hat man eines gelesen, am liebsten gleich alle lesen möchte. So ging es mir, seitdem mir eine Freundin „Sand“ empfohlen hatte.

Die Lektüre vom posthum veröffentlichten „Arbeit und Struktur“, das eine Zusammenfassung der Blogeinträge des Autors vor seinem Freitod ist, erweist sich als besonders eindringlich. Mich hat das Lesen dieser mit Datum versehenen Einträge ziemlich mitgenommen: Unweigerlich setzt man sich selbst in Zusammenhang zu den genannten Daten, unweigerlich stellt man den eigenen Biografieaus-schnitt vom 08.03.2010 bis 20.08.2013 ins Verhältnis zu den von Herrndorf beschriebenen Erlebnissen. Weiterlesen

Urlaub im Museum

Ins Museum kann man gehen, wenn einem draußen zu warm ist. In angenehm temperierten Räumen werden dem Auge verschiedenste Kunstwerke dargelegt, sodass man gemütlich schlendernd und schauend, Hitze und Stadttrubel hinter sich lassen kann. Man kann natürlich auch ein Buch mitbringen und sich auf eine der Besucherbänke niederlassen um zu lesen. Oder es halten wie Reger in Thomas Bernhards „Alter Meister“, der stundenlang auf ein Bild von Tintoretto schaute und es verinnerlichte.

Aber der Museumsbesuch hat nicht nur den Effekt der Abkühlung im Sommer, Gewitterschutz oder Erholung zur Folge. Unlängst erschien in der Psychologie Heute Mai 2014 ein Artikel von Martin Hecht, darüber, dass Kunst bei Lebenskrisen helfen kann. So erinnert Kunst uns an das, was wirklich wichtig ist im Leben, hilft uns zur Selbsteinsicht, kann neue Gedanken in uns erzeugen oder alte Fragen beantworten. Wir lernen durch Kunstrezeption wieder, die Dinge und Menschen in unserer Umgebung wertzuschätzen und Achtsamkeit für die kleinen und schönen Aspekte zu entwickeln.

„Was uns fehlt, finden wir im Kunstwerk. In einem Kunstwerk sind tatsächlich alle Emotionserfahrungen angelegt – und es finden immer auch diejenigen von ihnen den Weg zum Betrachter, die ihm vielleicht am fernsten liegen.
Kunsterleben ist immer ein Wechselspiel, ein reziproker Prozess zwischen Kunstobjekt und Betrachter. Wir lesen nicht nur heraus, was in einem Kunstwerk steckt. Am Ende erkennen wir nicht so sehr die Kunst, sondern sie vielmehr uns. Sie bringt unsere innere Welt in Bewegung, belebt untergegangene, verschüttete „gute“ Gefühle genauso wie die angstvollen, verstörenden – und macht uns diese schließlich „klar“, wenn wir sie im Sprechen über das Kunsterleben an die Oberfläche unseres Bewusstseins bringen.“

(Martin Hecht: Schönheit heilt. Wie Kunst und Natur uns in Krisenzeiten helfen, in: Psychologie Heute, Mai 2014, S. 38-43, hier S. 40.)

Egal ob inspirierender Urlaub im Museum, Abkühlungssuche oder gleich die kleine Selbsttherapie: ein Museumsbesuch kann jedenfalls nicht schaden =)

Ich habe euch für Berlin eine kleine Liste der interessantesten Ausstellungen dieses Sommers und Herbsts zusammengestellt, die ich noch unbedingt sehen will. Lasst euch inspirieren! Weiterlesen

Svealena Kutschke: „Gefährliche Arten“, 2013

Manche Menschen gehören zu den gefährlichen Arten, da sie das Dunkle, das sie in sich tragen nach außen lassen.

Gefährliche Arten
Credits: Foto (links): katja, Foto (rechts): laura, bearbeitet in PS von laura

Eine Rezension nach Schema F zu diesem Buch zu schreiben, scheint mir zum einen irgendwie unpassend da zu konventionell, zum anderen langweilt es mich manchmal, immer gleich aufgebaute Rezensionen zu schreiben und zu lesen. Ich werde versuchen, euch „Gefährliche Arten“ zu beschreiben, indem ich 5 Aspekte daraus hervorhebe, von denen ich meine, in ihnen spiegele sich das „Wesen des Buches“ am ehesten wider. Der Inhalt und die sprachlichen Merkmale, die das Buch ausmachen, sollten dennoch deutlich werden.

In „Gefährliche Arten“ von Svealena Kutschke geht es unter anderem um

Kunst

Sasha ist Künstlerin. In ihrem Kunstmarkt lebt sie das Düstere und wahrhaft Gemeine in sich aus: So fotografiert sie die Gesichter der Menschen, denen sie gerade zuvor vom Suizidversuch ihrer Mutter erzählt hat, verkleidet sich komplett mit Perücke, Outfit und Schminke als unscheinbare Tierhändlerin ausgestopfter Tiere oder gründet eine Stiftung zur Unterstützung Obdachloser, die dann von ihr mit Eintrittskarten für den Zoo, neuen Schuhen oder Alkohol versorgt werden. Ihr geht es darum zu provozieren, sie sucht die Konfrontation und langweilt sich regelrecht, wenn diese ausbleibt. Sasha ist auch privat ein Mensch, der die Ecken und Kanten sucht, an denen man sich stoßen kann: Sie verknüpft ihre Kunst mit ihrem Privatleben, indem sie mit den Partnern ihrer Freundinnen schläft und davon heimlich Videos dreht, die sie mit den heimlich gedrehten Videos von vertraulichen Freundinnengesprächen zusammenschneidet. Ab und an versendet sie diese Videos ihrer Loveboutique dann auch an Betroffene.

So bitterböse wie Sashas Charakter ist das ganze Buch: Es wird von ihrer Ich-Perspektive pechschwarz eingefärbt. Dabei ist alles Beschriebene gleichermaßen glasklar und konkret und dennoch sprunghaft; voller Risse, Zeitsprünge, Ortswechsel zwischen Berlin, Land und Nanjing.

Man fühlt sich beim Lesen selbst ein bißchen wie auf Weiterlesen

David Wonschewski: „Geliebter Schmerz. Melancholien“, 2014

Der Prolog sagt eigentlich schon alles: „Schwarzgemalt glücklich“ sollten wir dem Leben begegnen, soll heißen: Die dunklen Momente mit Gefühlen wie Trauer, Depression, Wut, Angst, Schmerz, Sehnsucht einfach annehmen und als Teil von uns anerkennen. Sie nicht verdammen und verteufeln und sich dafür schämen oder sie gar wegtherapieren oder betäuben. Sondern sich ihrer und ihrer Verursacher wie Tod, Verlust, Trennung, Abschied, Krankheit etc. annehmen, sie durchleiden und sehen: Sie sind „das so wichtige Salz unserer Lebenssuppe“.

Ich war neugierig, nachdem ich ein sympatisches Interview mit dem Autor bei Sophie von literaturen entdeckt hatte und immer wieder las, David Wonschewski sei ein Autor, der sich des Düsteren und Melancholischen annehme und der mit David Foster Wallace oder Thomas Bernhard verglichen wird. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch.

Jedenfalls denke ich jetzt nach 513 Seiten „Geliebter Schmerz“-Varianten, dass ich es beim Prolog und dem Interview hätte belassen können. Die teils kurzen, teils längeren Geschichten rund um Einsamkeit, menschliche Abgründe, Gedankenkreisel, Verlassenwerden und Gehenlassenmüssen reichen nicht in mich hinein, lassen mich unberührt zurück. Schade! Gerade diese Annäherungen an die dunklen Seiten in uns, so nahm ich an, könnten mich durch Intensität, Irritation, Intimität … erschüttern. Mitnichten. Sie bleiben allesamt an der Oberfläche und dringen nicht zu mir durch. Woran mag das liegen? Geliebter Schmerz Weiterlesen