3 in 1: Haruki Murakami, Ned Beauman, Nino Haratischwili

Ich habe länger hier keine gelesenen Bücher vorgestellt. Leider. Wie das manchmal so ist, gibt es Zeiten und Phasen, die das nicht erlauben. Es war ein wenig still. Es hat gedauert. Es wurde gelesen und es wurde als beeindruckend empfunden. Alle folgenden drei Bücher möchte ich als lesenswert empfehlen. Wer wissen möchte, warum, darf das hier lesen 😉
Da sie vielen hinreichend bekannt sein werden, möchte ich mich nicht mit dem Referieren des Inhalts aufhalten, sondern meinen Eindruck darlegen. Geschichten wollen gelesen und nicht totreferiert werden.

Haruki Murakami: „Kafka am Strand“ (2002)

„Das spezifische Gewicht der Zeit lastet auf dir wie ein alter, ambivalenter Traum. Unablässig bist du in Bewegung, um der Zeit zu entrinnen. Doch auch wenn du bis an den Rand der Welt läufst, wirst du ihr nicht entkommen. Und dennoch kannst du nicht anders, als bis an den Rand der Welt zu gehen.“

Nachdem ich vom vorletzten Buch Murakamis („Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“) sehr enttäuscht und gelangweilt war (alles sehr vorhersagbar und stereotyp), konnte mich „Kafka am Strand“ gänzlich in seinen Bann ziehen und überzeugen. Dieser Roman ist der vierte Murakami, den ich gelesen habe und es war wieder einmal sehr spannend, verwirrend und außergewöhnlich in einem. Ich habe von Lesern gehört, die diesen Roman lieben und manchen, die ihn überhaupt nicht mochten oder als den schwierigsten Murakami bezeichneten. Was meint ihr?Haruki Murakami Kafka am Strand

Es ist beim Lesen von Murakamis Büchern immer wieder so, dass sich die Geschichte erst Schritt für Schritt erschließt und entwickelt, einen dann völlig verwirrt und man am Ende mit vielen Fragen zurücklässt. Der Autor entführt mich in diesem Roman wieder in eine magische Welt hinter der Realität und ich merke, dass irgendwie alles zusammengehört und zueinander führt. Die Geschichte entzieht sich jedoch am Ende einer eindeutigen Erklärung. Darin liegt die Stärke Murakamis und mit Sicherheit ist dies genau der Punkt, den manche Leser nicht mögen. Im oben genannten vorletzten Roman ging diese erzählerische Stärke ein wenig verloren und die Figuren blieben insgesamt sehr blass und konnten mich nicht wirklich berühren. Bei „Kafka am Strand“ hingegen gibt es ein begrenztes Personal, das ich jedoch sehr genau kennenlernen darf. Als Leser werde ich hineingezogen in die eigenartige Reise des jungen Kafka Tamura, die sich zuerst als eine Flucht aus seinem alten Leben und dann als die Reise zu seinen Dämonen und zu sich selbst entpuppt. Weiterlesen

L. Sonntag mit Proust (am Montag)

Marcel Proust über den Wandel der Zeit und deren Effekt auf unsere Persönlichkeitsentwicklung, über Wünsche hin zu einem alternativen, unveränderlichen Sein, in dem alles bliebe, wie es war und die Unmöglichkeit dessen:

„Wir wünschen uns leidenschaftlich, es möchte ein anderes Leben geben, in dem wir dieselben bleiben, die wir hienieden gewesen sind. Aber wir bedenken nicht, daß wir, sogar ohne erst auf dieses andere Leben zu warten, schon in diesem hier nach einigen Jahren dem untreu werden, was wir gewesen sind und was wir selbst in der Unsterblichkeit noch wiederfinden wollten. Doch selbst wenn wir nicht voraussetzen, daß der Tod uns stärker verändert als die Wandlungen, die sich im Laufe unseres Lebens vollziehen, würden wir uns in jenem anderen Sein, sobald wir dem Ich begegneten, das wir gewesen sind, von ihm abwenden wie von Personen, mit denen wir zwar befreundet waren, die wir aber längere Zeit nicht gesehen haben.“

Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Teil 4.2: Sodom und Gomorra. Dtsch. von Eva Rechel-Mertens, Frankfurt: Suhrkamp, 1982, S. 357 f.

Nino Haratischwilis literarische Reise durch das Jahrhundert

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„Die Welt tanzte einen Reigen. Die Skelette unter der Erde gaben den Rhythmus vor. Die Rosen wuchsen nur noch schwarz. Alle Wege fühlten sich an wie Hängebrücken, schwankend, jederzeit zum Absturz bereit. Sogar der Schnee bekam eine bläuliche Färbung. Der Himmel war durchlöchert; Einschusslöcher sah man auch am Horizont und die Sonne strahlte zwar müde vor sich hin, konnte aber nicht mehr wärmen.
Im Flüsterton sprachen sich die Bäume ab und erhängten sich gegenseitig an den Ästen.“

Vor einigen Wochen schrieb ich über „Das achte Leben (Für Brilka)“ von Nino Haratischwili, es sei ein Buch „das man langsam und genüsslich liest, sich auf der Zunge zergehen lässt wie Schokolade.“ Nun habe ich das seitenreiche Buch, welches am 01.09.14 erschien, durchgelesen und möchte meine Eindrücke präzisieren und mit euch teilen.

Ja, es stimmt, das Buch hat nicht nur inhaltlich viel mit geheimnisvoller Schokolade zu tun, deren Rezept sich durch die Familie Jaschi weitervererbt. Sondern es liest sich auch wie Schokolade, allerdings wie zartbittere. Denn es handelt sich nicht um ein Buch, das sich nur schön wegliest. Es beschönigt ganz und gar nicht die geschichtlichen Ereignisse, die eng mit denen der Figuren verknüpft sind. Im Gegenteil: Haratischwili beschreibt traumatische Geschehnisse im Leben von Kitty oder der Erzählerin Niza sehr genau und verschont den Leser nicht. Man wird von Niza an die Hand genommen und durch ein ereignisreiches Jahrhundert geführt, dem sie durchaus kritisch gegenüber steht. Weiterlesen

#Streetart Berlin – Teufelsberg#

Die größte Streetartgalerie in Berlin und vielleicht weltweit ist der Teufelsberg. Das Gelände der ehemaligen Abhörstation ist eine wahre Fundgrube für alle, die Graffitis, Stencils etc. lieben. Aber nicht nur das: Es zeugt einmal mehr von der vielschichtigen Geschichtlichkeit so vieler Orte in Berlin. Ursprünglich sollte am Teufelsberg im Rahmen der von den Nationalsozialisten geplanten „Welthauptstadt Germania“ eine Hochschulstadt entstehen. Daraus ist bekanntlich und glücklicherweise nichts geworden. Stattdessen wurde das teilweise im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gelände im Kalten Krieg zu einer riesigen Abhörstation der US-Armee.- Bis heute ist der Umfang der Lauschangriffe und selbst der Anlage nicht ganz erfasst, was mitunter an geheimgehaltenen Akten etc. liegt.

Ein Besuch des Geländes Teufelsberg ist heute nur noch mit Führung möglich. Das Gelände wird zudem bewacht, was mit der Vorbeugung vor Vandalismus, Brandschatzung, Metalldiebstahl usw. begründet wird.

Ob für Streetartliebhaber, Historiker, Touristen, Berliner, die ihre Stadt neu entdecken wollen, Künstler, die sich selbst mit einem Graffito verewigen möchten oder einfach Neugierige: ein Besuch lohnt sich!

Da während der Führung nicht allzu viel Zeit für Fotos bleibt, hier nur ein paar wenige Eindrücke von mir.
Unten findet ihr weitere Links zu mehr Bildern, mehr Geschichte, mehr Infos zu Führungen etc.

Teufelsberg1 Teufelsberg2 Teufelsberg3 Teufelsberg4

# alle Bilder von laura aufgenommen analog mit meiner Nikon F75 #

Links:

Der Teufelsberg und seine Geschichte – hier

Führungen über die Initiative Teufelsberg – hier

More Pics – here

Jenny Erpenbeck: „Aller Tage Abend“, Roman (2012)

Erpenbeck_Aller Tage Abend„Wie Stege sind die Sitten der Menschen ins Unmenschliche hineingebaut, denkt sie, greifbare Gebilde, an denen ein Schiffbrüchiger sich wieder hinaufziehen könnte, wenn überhaupt. Schön wäre es, denkt sie, wenn der Zufall regieren würde, und nicht ein Gott.“

Sterben können wir in jedem einzelnen Moment. Jederzeit kann sich die Tür öffnen, durch die man vom Leben in den Tod geht. Erpenbecks Protagonistin passiert dies gleich mehrfach. Sie stirbt fünf Tode und wird in einem Intermezzo durch Konjunktive literarisch wieder ins Leben gerufen. So, wie man es aus der fiktiven Welt der Computerspiele kennt, begibt sie sich einfach ins nächste Level und überschreitet die Grenze zwischen einem möglichen Erzählstrang und dem nächsten, anders verlaufenden. Weiterlesen

Peter Prange: „Das Bernstein-Amulett“, Roman (1999)

Selten befinde ich mich im Bezug auf ein gelesenes Buch so in einem Zwiespalt wie bei Peter Pranges Debütroman: „Das Bernstein-Amulett“.

Zum einen entfaltet der Autor eine grandiose Familiengeschichte von 1944 bis 1990, die sich vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Deutschland in dieser Zeit abspielt. Zum anderen wird der Roman stark beeinträchtigt durch sprachliche Schwächen und überzeichnete Charaktere. Nichts desto trotz hat dieser Roman Peter Prange zu herausragendem Erfolg als Schriftsteller verholfen. Im Folgenden möchte ich näher auf den Roman eingehen, der die Meinungen spaltet.  Weiterlesen