Ausstellungsbesuch: „Queensize. Female Artists from the Olbricht Collection“

Ausstellungsansicht  © Katja
Ausstellungsansicht
© Foto: Katja

Die aktuelle Ausstellung im Me Collectorsroom in der Berliner Auguststraße versammelt Kunstwerke von rund 60 Künstlerinnen aus der Sammlung von Thomas Olbricht. Typischerweise finden sich die für dessen Sammlung signifikanten Themen: Leben, Vergänglichkeit, Sex und Tod. Zeitlich umfassen die gezeigten Werke gegenwärtige Positionen von den 1980er Jahren bis heute.

Bereits der Titel der Ausstellung gibt einen Hinweis auf den den Fotos, Gemälden, Skulpturen und Filmen gemeinsamen Themenkomplex: „Queensize“ als Bezeichnung für eines der größten Bettenformate verweist gleichermaßen auf Weiblichkeit („queen“) und das Bett symbolisiert „den existentiellen Ort menschlicher Erfahrung“ (Flyerheft zur Ausstellung). Doch es geht in den Arbeiten um mehr als um Leben und Tod oder Träume und Albträume. Weiterlesen

[Rezension] Siri Hustvedt – „The Blazing World“

Hustvedt_BlazingWorldSiri Hustvedts neuen Roman „The Blazing World“ musste ich auf englisch lesen, nachdem ich von dj709 von Binge Reading auf den Roman aufmerksam gemacht worden war, weil ich nicht die deutsche Übersetzung abwarten kann / will.

She remembered what I had forgotten, and I remembered what she had forgotten, and when we remembered the same story, didn´t we remember it differently? But neither of us was prevaricating. The scenes of the past were continually being shifted and reshuffled and seen again from the vantage point of the present, that´s all, and the changes take place without our awareness. Harry hat reinterpreted any number of memories. Her whole life looked different.“

Wieder sind Identität, die Kunstwelt, Gender-Fragen, Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch Erinnerung und das neurowissenschaftliche Verhältnis zwischen Phantasie / Idee und deren Umsetzung in die Wirklichkeit zentrale Themen der Autorin. Was neu ist, ist die Schreibweise, die Baukonstruktion des Buches.

Bei „The Blazing World“ strickt Hustvedt die Geschichte gewisserweise aus vielschichtigen Fragmenten heraus. Man liest Zeitungsberichte, Aussagen von Angehörigen und Freunden, Interviews, Reviews zu Ausstellungen und vor allem Notizbucheinträge der Protagonistin und puzzelt sich so Stück für Stück das Geschehen zusammen. Und das macht richtig Spaß, gerade weil es nicht dem linear erzählten Lesefluss entspricht, den man sonst häufig in zeitgenössischer Literatur aus Amerika findet. Darüber hinaus ergibt sich eine interessante Polyperspektivität, da verschiedene Personen, die ins Geschehen mal mehr, mal weniger integriert sind, ihre Sicht der Dinge wiedergeben. Weiterlesen

@boutsomething to look at: Niki de Saint-Phalle auf Arte +7

© Pär Henning, Quelle: Wikipedia
© Pär Henning, Quelle: Wikipedia

Niki de Saint-Phalles ausdrucksstarke, weibliche Kunst hat mich vor Jahren dazu inspiriert, Kunstgeschichte zu studieren. Ihre riesigen, runden und farbigen „Nanas“ sind euch sicher schonmal irgendwo begegnet. Ich liebe besonders ihre in den 1950er Jahren entstandenen „Schießbilder“, die so wunderbar wütend sind. Als Mitglied der Künstlergruppe „Nouveau Réalistes“ ging Niki de Saint-Phalle in die Kunstgeschichte ein.

In der Arte +7 Mediathek ist noch bis zum 26.11.14 ein 91 minütiger Beitrag über die französisch-amerikanische Künstlerin zu sehen. Der Film beleuchtet nicht nur ihre Ehe zu Bildhauer Jean Tinguely, sondern gibt Einblick in ihr Schaffen und ihre Beweggründe.

Sehr empfehlenswert!

Hier gehts zum Link:     Niki de Saint-Phalle auf Arte


 

Urlaub im Museum

Ins Museum kann man gehen, wenn einem draußen zu warm ist. In angenehm temperierten Räumen werden dem Auge verschiedenste Kunstwerke dargelegt, sodass man gemütlich schlendernd und schauend, Hitze und Stadttrubel hinter sich lassen kann. Man kann natürlich auch ein Buch mitbringen und sich auf eine der Besucherbänke niederlassen um zu lesen. Oder es halten wie Reger in Thomas Bernhards „Alter Meister“, der stundenlang auf ein Bild von Tintoretto schaute und es verinnerlichte.

Aber der Museumsbesuch hat nicht nur den Effekt der Abkühlung im Sommer, Gewitterschutz oder Erholung zur Folge. Unlängst erschien in der Psychologie Heute Mai 2014 ein Artikel von Martin Hecht, darüber, dass Kunst bei Lebenskrisen helfen kann. So erinnert Kunst uns an das, was wirklich wichtig ist im Leben, hilft uns zur Selbsteinsicht, kann neue Gedanken in uns erzeugen oder alte Fragen beantworten. Wir lernen durch Kunstrezeption wieder, die Dinge und Menschen in unserer Umgebung wertzuschätzen und Achtsamkeit für die kleinen und schönen Aspekte zu entwickeln.

„Was uns fehlt, finden wir im Kunstwerk. In einem Kunstwerk sind tatsächlich alle Emotionserfahrungen angelegt – und es finden immer auch diejenigen von ihnen den Weg zum Betrachter, die ihm vielleicht am fernsten liegen.
Kunsterleben ist immer ein Wechselspiel, ein reziproker Prozess zwischen Kunstobjekt und Betrachter. Wir lesen nicht nur heraus, was in einem Kunstwerk steckt. Am Ende erkennen wir nicht so sehr die Kunst, sondern sie vielmehr uns. Sie bringt unsere innere Welt in Bewegung, belebt untergegangene, verschüttete „gute“ Gefühle genauso wie die angstvollen, verstörenden – und macht uns diese schließlich „klar“, wenn wir sie im Sprechen über das Kunsterleben an die Oberfläche unseres Bewusstseins bringen.“

(Martin Hecht: Schönheit heilt. Wie Kunst und Natur uns in Krisenzeiten helfen, in: Psychologie Heute, Mai 2014, S. 38-43, hier S. 40.)

Egal ob inspirierender Urlaub im Museum, Abkühlungssuche oder gleich die kleine Selbsttherapie: ein Museumsbesuch kann jedenfalls nicht schaden =)

Ich habe euch für Berlin eine kleine Liste der interessantesten Ausstellungen dieses Sommers und Herbsts zusammengestellt, die ich noch unbedingt sehen will. Lasst euch inspirieren! Weiterlesen

Siri Hustvedt: „Leben, Denken, Schauen“, Essays (2014)

Siri Hustvedt_Essays

Wer Literatur an der Schnittstelle zwischen wirklich guter, lesbarer Unterhaltung und wissenschaftlichem Anspruch mag, wird Siri Hustvedt lieben. Ob in ihren Romanen oder in ihren Essays: Als ihr Leser ist man nach jedem Buch schlauer, bewegter und hatte darüber hinaus eine unterhaltsame Lesezeit, die man mitunter vermisst. Nachdem ich von ihrem Roman „Was ich liebte“ restlos begeistert war, konnte ich nicht widerstehen, als ich vor einigen Wochen eine dieser zufälligen Begegnungen mit ihrem jüngst auf Deutsch erschienenen Essayband „Leben, Denken, Schauen“ hatte. Die Lektüre hat mich wirklich in mehrfacher Hinsicht bereichert. Weiterlesen

Svealena Kutschke: „Gefährliche Arten“, 2013

Manche Menschen gehören zu den gefährlichen Arten, da sie das Dunkle, das sie in sich tragen nach außen lassen.

Gefährliche Arten
Credits: Foto (links): katja, Foto (rechts): laura, bearbeitet in PS von laura

Eine Rezension nach Schema F zu diesem Buch zu schreiben, scheint mir zum einen irgendwie unpassend da zu konventionell, zum anderen langweilt es mich manchmal, immer gleich aufgebaute Rezensionen zu schreiben und zu lesen. Ich werde versuchen, euch „Gefährliche Arten“ zu beschreiben, indem ich 5 Aspekte daraus hervorhebe, von denen ich meine, in ihnen spiegele sich das „Wesen des Buches“ am ehesten wider. Der Inhalt und die sprachlichen Merkmale, die das Buch ausmachen, sollten dennoch deutlich werden.

In „Gefährliche Arten“ von Svealena Kutschke geht es unter anderem um

Kunst

Sasha ist Künstlerin. In ihrem Kunstmarkt lebt sie das Düstere und wahrhaft Gemeine in sich aus: So fotografiert sie die Gesichter der Menschen, denen sie gerade zuvor vom Suizidversuch ihrer Mutter erzählt hat, verkleidet sich komplett mit Perücke, Outfit und Schminke als unscheinbare Tierhändlerin ausgestopfter Tiere oder gründet eine Stiftung zur Unterstützung Obdachloser, die dann von ihr mit Eintrittskarten für den Zoo, neuen Schuhen oder Alkohol versorgt werden. Ihr geht es darum zu provozieren, sie sucht die Konfrontation und langweilt sich regelrecht, wenn diese ausbleibt. Sasha ist auch privat ein Mensch, der die Ecken und Kanten sucht, an denen man sich stoßen kann: Sie verknüpft ihre Kunst mit ihrem Privatleben, indem sie mit den Partnern ihrer Freundinnen schläft und davon heimlich Videos dreht, die sie mit den heimlich gedrehten Videos von vertraulichen Freundinnengesprächen zusammenschneidet. Ab und an versendet sie diese Videos ihrer Loveboutique dann auch an Betroffene.

So bitterböse wie Sashas Charakter ist das ganze Buch: Es wird von ihrer Ich-Perspektive pechschwarz eingefärbt. Dabei ist alles Beschriebene gleichermaßen glasklar und konkret und dennoch sprunghaft; voller Risse, Zeitsprünge, Ortswechsel zwischen Berlin, Land und Nanjing.

Man fühlt sich beim Lesen selbst ein bißchen wie auf Weiterlesen

Bericht vom 2. KunstSalon am Dienstag bei Susanne Haun – Thema: Ichfindung und Identitätsbildung

Susanne Haun

Gestern fand mein 2. KunstSalon am Dienstag zum Thema „Ichfindung und Identitätsbildung – Das Ich im Laufe der Moderne und Postmoderne“ statt.

Katja und Laura vom Blog aboutsomething führten uns durch das Thema. Herzlichen Dank an beide für ihre sehr guten Ausführungen, die uns zur Diskussion anregten.

Salon zum Thema Ichfindung (c) Foto von Susanne Haun Salon zum Thema Ichfindung (c) Foto von Susanne Haun

Katja stellte die Grundfragen der Identität und Individualisierung aus Sicht der Soziologie vor:

Ihre Quelle war dabei:
Heinz Abels, Identität – Lehrbuch, 2. üb. erw. Aufl. 2010, Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden

„Grundfragen der Soziologie im Hinblick auf das Individuum im Verhältnis zu sich:

• Wie ist die Vorstellung des Menschen, ein Individuum zu sein, entstanden?
• Welcher Anspruch hat sich aus dieser Vorstellung ergeben?
• Wie sehen die gesellschaftlichen Bedingungen in der fortgeschrittenen Moderne aus?
• Was ist Identität? – Wie bin ich geworden, was ich bin (Entwicklung des Selbst)? Wer will ich sein…

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@bout: „Ausweitung der Kampfzone“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin

In der Neuen Nationalgalerie in Berlin ist nun (nach „Moderne Zeiten“ und „Der geteilte Himmel“) der dritte Teil der Sammlungsausstellung „Ausweitung der Kampfzone“ zu sehen. Der Titel der Ausstellung orientiert sich am gleichnamigen Roman Michel Houellebecqs, in dem die heutige liberalisierte Gesellschaft als Kampfzone in allen Bereichen aufgefasst wird.Ausweitung der Kampfzone

„In einem völlig liberalen Wirtschaftssystem häufen einige wenige beträchtliche Reichtümer an; andere verkommen in der Arbeitslosigkeit und im Elend. In einem völlig liberalen Sexualsystem haben einige ein abwechslungsreiches und erregendes Sexualleben; andere sind auf Masturbation und Einsamkeit beschränkt. Der Wirtschaftsliberalismus ist die erweiterte Kampfzone, das heißt, er gilt für alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. Ebenso bedeutet der sexuelle Liberalismus die Ausweitung der Kampfzone, ihre Ausdehnung auf alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen.“

(aus Michel Houellebecq: „Ausweitung der Kampfzone“, S. 108f.)

Um halbwegs durchs Leben zu kommen, gilt es in allen Bereichen, besonders aber in der Wirtschaft und in der Sexualität, zu kämpfen. So ergeht es dem namenlosen Ich-Erzähler Houellebecqs und seinem Kollegen Tisserand, so ergeht es den Künstlern in der Ausstellung „Ausweitung der Kampfzone“. Die ausgestellten Kunstwerke spiegeln eine breitgefächerte Themenvielfalt wider und zeigen Kämpfe in Deutschland 1968 – 2000 an ganz unterschiedlichen Fronten: In der Sexualität und zwischen den Geschlechtern, in der Politik (RAF), in den Medien der Kunst (Malerei, Video, Performance…).

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Künstler im Gespräch #1 Zeichnerin Susanne Haun

@boutsomething möchte mit dieser neuen Interview-Reihe in Abständen Künstler und Autoren vorstellen, deren Werk uns beeindruckt und auf eine eigene Art fasziniert. Dazu besuchen wir die Künstler oder treffen uns zum Gespräch. An unseren neugierigen Fragen werden wir euch hier teilhaben lassen, damit ihr einen ganz persönlichen Eindruck erhaltet.

Den Anfang machen wir mit einem Besuch bei der Berliner Zeichnerin Susanne Haun. Die äußerst sympathische gebürtige Weddingerin lernten wir wiederum über ihren Besuch auf unserem Blog kennen und es entstand ein interessanter Austausch.

Susanne Haun, die von sich selbst sagt, die Zeichnung sei für sie wie ein zusätzliches Sinnesorgan, kann bereits auf eine lange Reihe internationaler Einzelausstellungen sowie Gemeinschaftsausstellungen zurückblicken. Seit 2011 studiert sie außerdem Kunstgeschichte an der FU Berlin.

Auf ihrem Blog berichtet Susanne Haun regelmäßig von ihrer Arbeit, die sie auch in Bild und Text zeigt, und damit für den Leser und Betrachter sehr persönlich thematisiert. Er ist ihr Sprachrohr. Dort tritt sie direkt aus ihrem Künstleratelier in Kontakt mit der Welt. Das macht die Künstlerin u.a. so sympathisch und interessant. Wir durften heute Susanne in ihrem neuen Weddinger Atelier- und Wohnraum besuchen, um mit ihr über die Beweggründe und die Entstehung ihrer vielfältigen und beeindruckenden Tusche-Zeichnungen und Druckgrafiken zu sprechen.CIMG4235  

Wann hast du begonnen, dich als Künstlerin wahrzunehmen?

Das war 1989. Da hab ich das erste Mal Sachen von mir auf dem Kunstmarkt in Spandau gezeigt.

Wenn man sich das erste Mal dem Publikum zeigt, dann fängt man an eine Wahrnehmung für die Kunst zu bekommen. Wenn ich zurückschaue, merke ich bei mir dann eine Entwicklung. Auch jetzt noch. Ich stelle immer fest, dass ich jedes Jahr mehr weiß. Wie z. Bsp. bei der Beschäftigung mit dem Antonius oder jetzt bei Dürer, mit dem ich mich im Rahmen eines Uni-Seminars beschäftige. Aber ich denke, das erste Mal, das war der Mut sich nach außen zu zeigen. Weiterlesen

Silke Scheuermann: „Shanghai Performance“, Roman (2011)

Shanghai PerformanceNachdem ich von Silke Scheuermanns „Die Häuser der anderen“ letzten Herbst ziemlich begeistert war, las ich nun den Vorgänger-Roman „Shanghai Performance“. Nein, eigentlich verschlang ich ihn 🙂

Die Hauptfigur Luisa kenne ich bereits aus „Die Häuser der anderen“: da war sie die gereifte Kunsthistorikerin, die um ihre Ehe mit Christopher kämpfte. Um diese beiden geht es eigentlich schon in „Shanghai Performance“, nur dass beide jünger sind, unerfahrener. Zu Beginn des Buches verlässt Christopher sie, da sie notorisch fremd geht und „nicht mehr weiß, was sie ihm versprechen soll.“ Sie ist Assistentin der Performance-Künstlerin Margot Wincraft und geht mit ihr kurzerhand nach Shanghai, um dort eine große Performance zu organisieren. Weiterlesen