[Rezension] David Foster Wallace: „Der bleiche König“ und D.T. Max: „Jede Liebesgeschichte ist eine Geistergeschichte. David Foster Wallace – Ein Leben“

DSC01806Am Ende bleibt nur ein Haufen Manuskriptseiten in einer Garage. Als sich der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace im September 2008 das Leben nimmt, hinterlässt er den unvollendeten Roman „Der bleiche König“. Ich bin sicher, er wäre großartig geworden.

Aber je fragmentarischer eine Erinnerung ist, desto authentischer fühlt sie sich komischerweise an. Ich frage mich, ob irgendein Mensch das Gefühl hat, er wäre noch derselbe wie der, an den er sich erinnert. Wahrscheinlich bekäme er einen Nervenzusammenbruch. Wahrscheinlich ergäbe es überhaupt keinen Sinn.“

Der Herausgeber Michael Pietsch hat sich der Aufgabe gewidmet, sich durch seitenweise Manuskriptseiten und unzählige Notizen des perfektionistischen Autoren zu arbeiten, um sie in Form eines unfertigen Romans zu veröffentlichen.

Es geht um den vielleicht langweiligsten Job überhaupt: im amerikanischen Finanzamt IRS. Vermutlich kann nur Foster Wallace die Angestellten dort, ihre Einstellung, ihre Feierabende, ihre skurrilen Kinder, ihren Alltag … so beschreiben, dass man es gerne und interessiert liest und sogar wissen will, wie es weitergeht. Die mit durchnummerierten Paragraphen überschriebenen Kapitel sind fragmentartig zusammen gestellt. Sie geben Einblicke in das Leben und vor allem Arbeiten der verschiedenen Personen, die im IRS angestellt sind. Dabei gibt es weder „einen“ Protagonisten, was in „Unendlicher Spaß“ ähnlich ist, noch eine runde Handlung oder klare Struktur. Letzteres ist sicherlich dem geschuldet, dass der Roman unvollendet blieb. Weiterlesen

Notizen und Lektüretipps zu 25 Jahren Mauerfall

Berliner MauerWenn die Mauer 1989 nicht gefallen wäre, gäbe es auch diesen Literaturblog nicht, da beide Bloggerinnen in den beiden deutschen Teilstaaten aufgewachsen sind – Laura (*1984) in Lage / NRW und Katja (*1982) in Gera / Thüringen – und nun hat uns unser Weg beide seit einiger Zeit nach Berlin geführt. Unsere Freundschaft ist daher auch ein gewisses Symbol für die deutsche Wiedervereinigung ;). Wir möchten diesem historischen Datum Rechnung tragen, indem wir euch Bücher nennen, die sich mit der Thematik Ost/West und mit dem Leben in der ehemaligen DDR auseinandersetzen. Je nachdem, wie alt ihr seid und wo ihr aufgewachsen seid, habt auch ihr sicherlich euren eigenen Blick auf diese Zeit. Wir rufen euch auf, eure Lektüretipps zur DDR und deutschen Teilung ob Belletristik oder Sachbücher hier mit uns zu teilen. Denn egal, wo man aufgewachsen ist, wichtig ist das Erinnern und das Bewusstsein von der Vergangenheit. Bücher und Geschichten können diese vergangene Zeit zum Leben erwecken und uns von dem Erzählen, was wir selbst nicht miterleben konnten. Wir sind gespannt auf eure Buchempfehlungen!

Katjas Lektüretipps:

Man könnte sicherlich so viele Bücher aufzählen, die sich mit der DDR und der Thematik des Mauerfalls belletristisch befassen – manche von ihnen gut, manche von ihnen weniger gelungen. Ich habe als Ostdeutsche bisher weniger das Bedürfnis gehabt, jene zahlreichen in den Nuller Jahren erschienen „Wende-Romane“ zu lesen wie „Zonenkinder“ von Jana Hensel.

Richtig gut, authentisch, unterhaltsam und fand ich dagegen Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, das Laura abgebrochen hatte und wir hier lebhaft diskutierten. Ich habe mich in den Nullerjahren eher für Autoren interessiert, die aus der ehemaligen DDR stammen und unter den restriktiven Bedingungen dieses Staates versuchten, frei zu schreiben und ihre Kunst zu veröffentlichen. Weiterlesen

„Inside Llewyn Davis“ und Dave van Ronk – Die Folkszene von New York

dave van ronk_der könig von greenwich villageWer Musik liebt, gern Musikerbiographien liest und sich für die frühe Folkmusikszene in Amerika interessiert, wird von „Der König von Greenwich Village“ beeindruckt sein.
Diese These stelle ich einfach mal kühn in den Raum, weil ich so begeistert von diesem Buch bin und ihm viele glücklich inspirierte Leser wünsche.

Von Dave van Ronk, dem oben so genannten „König von Greenwich Village“, hatte ich bisher noch nichts gehört. Auf dieses Buch gekommen bin ich durch einen großartigen Film der Coen Brüder, der kurz vor Weihnachten 2013 in die Kinos kam: „Inside Llewyn Davis“. Darin geht es um einen jungen Mann namens Llewyn Davis, der im New Yorker Intellektuellen- und Szenebezirk Greenwich Village sein Glück als Folkmusiker findet – leider mehr oder minder erfolgreich. Der Film ist ein liebevoll gestaltetes Portrait der amerikanischen Folkszene der 50er/60er Jahre mit urkomischen und skurrilen Musikerexistenzen, einem großartigen John Goodman in der Rolle eines heroinsüchtigen Jazzers – eine Art unterhaltsamer Road-Movie und Milieubericht mit melancholisch-leiser Grundstimmung, die eine gewisse existenzielle Nachdenklichkeit und dunkle Sehnsucht anspricht, die nichts besser wiedergeben kann als die kratzig-sensible Stimme eines Folksängers und seiner akustischen Gitarre. Weiterlesen

Brigitte Reimann und Ronald M. Schernikau: Zwei Biographien zwischen Ost und West

Ich möchte euch heute einmal zwei Bücher vorstellen, die für mich zu den beeindruckendsten biographischen Büchern gehören, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.

Es handelt sich dabei um Biographien zweier völlig unterschiedlicher Menschen und doch haben mich beide in ähnlichem Maße berührt und bewegt. Ich lese ab und an sehr gern Biographien über Künstler, Philosophen und Literaten, weil mich die Hintergründe und Umstände eines Lebens interessieren und man dann teilweise nochmal einen anderen Blick auf die jeweils gewählten Sujets bekommt, die ein Schriftsteller in seinem Werk verarbeitet. Dabei halte ich allerdings nichts von reinem Biographismus oder einer zu stark biographischen Deutung eines literarischen Textes, wie es bei klassischen Autoren des Öfteren geschieht und nur noch ermüdet und langweilt. Manchmal jedoch wird ein Mensch in eine Zeit und Gesellschaft geboren, die ihm einiges abverlangt. Und als Künstler schreibt und wirkt er dabei unter besonderen Lebensumständen, die sich dann in den jeweiligen Zeilen auswirken. Der Mensch ist ein historisches Wesen und wie man es auch nimmt, spiegeln sich historische Gegebenheiten und gesellschaftliche Bedingungen im Gesamtwerk vieler Autoren wider. Vor allem dann, wenn solch ein Künstler und Literat auch aktiv an den gesellschaftlichen Umwälzungen partizipiert, sei es aus politischen Gründen oder einem persönlichen Anliegen. Weiterlesen